IM GESPRÄCH MIT ANDREAS TRAMPE
„Let’s talk“: ANDREAS TRAMPE — Senior Photo Editor // stern
Andreas, erzähle uns doch bitte kurz etwas über Deinen beruflichen Werdegang. Wie hast Du in der Branche angefangen und wie bist Du damals beim stern gelandet?
Ich habe nach dem Abitur ein Foto-Volontariat in einer kleinen Presseagentur gemacht und anschließend sieben Jahre als Fotoreporter für Tageszeitungen und diverse Zeitschriften (u. a. BUNTE und Bild am Sonntag) gearbeitet. Von 1991 bis 1996 war ich Fotochef bei Bild am Sonntag, seit 1996 bin ich beim stern. Mein damaliger Kollege Volker Lensch hat mich „abgeworben“ und gefragt, ob ich nicht zum stern kommen wollte.
Seit mehr als 20 Jahren beobachtest Du nun bildsprachliche Trends im redaktionellen Umfeld. Wie hat sich die Bildsprache in den letzten Jahren verändert und welche wesentlichen Trends machst du derzeit aus?
Die Bildsprache verändert sich alle zwei, drei Jahre ein wenig. Von z. B. eher distanziert und reduziert, zu nah am Menschen und emotional oder eben auch wieder zurück. Eine Zeit lang wurde auch draußen und am Tag viel aufgeblitzt, momentan geht auch das wieder ein wenig zurück. Im Moment tendieren viele Fotograf:innen dazu ihre Bilder sehr dunkel zu halten. Das sieht dann auf iPads oder Computerschirmen sehr gut aus, macht uns im Print aber Probleme, weil wir die vielen dunklen und schwarzen Anteile der Bilder drucktechnisch nicht sauber reproduzieren können. Die Flächen laufen dann einfach zu und im schlimmsten Fall wird es eine „schwarze Soße“.
Wie darf man sich Deinen Arbeitsalltag vorstellen? Wie sieht ein typischer Tag bei euch in der Redaktion aus?
Ach, eigentlich ist das gar nicht so besonders. Morgens fängt der Tag ganz normal an. Zeitungen und E-Mails checken, dann meist eine Themen- oder Ressortkonferenz, in denen neue Geschichten besprochen werden, oder Probleme oder auch Fortschritte bei den Fotoproduktionen diskutiert werden. Zwischendurch buche ich Fotograf:innen für Aufträge, schreibe „Briefings“, recherchiere nach Bildern und prüfe Angebote von Fotograf:innen.
Ihr habt sicherlich eine Datenbank mit Fotograf:innen – wie wird man dort aufgenommen und wie kommt ihr genau auf die Fotograf:innen, die ihr beauftragt?
Ja, wir haben eine große Datenbank mit den Kontaktdaten von über 3.000 Fotograf:innen, Illustrator:innen und Agenturen. Und permanent nehmen wir neue Fotograf:innen in unser Datenbank auf. Wenn wir einen Auftrag zu vergeben haben, dann schauen wir als erstes ob es eine/n lokalen Fotograf:in gibt, der für den Job gut geeignet ist. Denn lokale Fotograf:innen haben die besten Ortskenntnisse, sprechen die jeweilige Sprache, wissen wen man fragen muss um notwendige Akkreditierungen zu bekommen oder was man besonders beachten muss um erfolgreich zu arbeiten.
Wie weckt man als Fotograf:in Deine Aufmerksamkeit und wie eher nicht?
Am besten schreibt man mir ein Mail mit kurzen biografischen Angaben und stellt sich mit einem Portfolio vor. Am besten ruft man mich beim Erstkontakt nicht an um mir zu sagen, dass man sich bei mir vorstellen möchte. Weil ich dann am Telefon sage, dass derjenige mir bitte ein Mail mit biografischen Angaben und ein Portfolio mit seinen Arbeiten schicken soll. 🙂
Wann gab es in der Redaktion die letzte hitzige Diskussion über eine eventuelle Foto-Veröffentlichung?
Wir diskutieren jeden Tag über Bilder. Aber meist nicht hitzig, sondern eher mit sachlichen Argumenten. Es gibt immer verschiedene Ansätze eine Geschichte zu gestalten, immer mehrere Bilder, die z. B. als „Aufmacher-Doppelseite“ geeignet sind. Aber was wir auch wirklich oft erleben, ist: Wir geben Bilder an den Graphiker und er oder sie sucht genau die Bilder aus, die wir Bildredakteur:innen auch als stärkste Bilder identifiziert haben. Das ist dann so ein „sterniger Moment“ der stillschweigenden Übereinkunft. Und wenn man lange zusammen arbeitet, dann etabliert sich diese „stille Verständigung“.
Was zeichnet für Dich ein herausragendes Foto aus?
Es berührt mich, löst bei mir Lachen, emotionale Wärme oder Interesse aus, vermittelt Mitgefühl, Entsetzen oder z. B. Trauer. Außerdem ist es gut fotografiert. Es bildet nicht nur 1:1 den Alltag/die Realität ab, sondern ist durch die Werkzeuge der Fotografie (z. B. partielle Unschärfen, Vordergrundgestaltung, kluge Bildausschnitte oder besonders schönes Licht) fotografisch sorgfältig komponiert worden.
Bekommt ihr häufig fertige Arbeiten angeboten?
Ja, wir erhalten viele Angebote mit fertig produzierten Geschichten.
Die Bedingungen für Fotograf:innen und Journalist:innen werden ja stetig eher schwieriger als leichter, wie glaubst Du wird sich der Markt zukünftig weiter verändern/entwickeln?
Der Print-Zeitschriften- und Tageszeitungs-Markt wird – wohl leider – noch kleiner werden: Die Menschen lesen immer weniger Zeitungen und Zeitschriften, die Auflagen schrumpfen und damit natürlich auch die Erlöse der Verlage. Das schlägt unmittelbar auf die Produktionsbedingungen der Fotograf:innen durch. Aber auf der anderen Seite steigen die Zugriffszahlen auf digitale Angebote stetig an. Der Journalismus wird nicht sterben, sondern in Zukunft auf dem Mobiltelefon und dem Tablet stattfinden. Aber die Honorar- und Verdienstmöglichkeiten werden auch zukünftig unter Druck bleiben.
Was ist Deiner Meinung nach heute ausschlaggebend, um als Fotograf:in in der Fotografiebranche erfolgreich zu sein?
Um im journalistischen Bereich heutzutage erfolgreich zu sein, muss ein Mensch heute ein guter Fotograf bzw. Fotografin mit „eigener Handschrift“ sein. Außerdem ein inhaltlicher Geschichtenerzähler, möglichst Post-Production-Fähigkeiten haben und am besten auch noch kaufmännisch schlau sein. Außerdem braucht er/sie sehr gute Kommunikationsfähigkeiten, sprich muss sich beim „Netzwerken“ und auf Social Media Apps Zuhause fühlen.
Auf was legst Du bei der Zusammenarbeit zwischen Bildredaktion und Fotograf:in besonders wert?
Auf Vertrauen und absolute Offenheit. Die Fotograf:innen sind unsere Augen da draußen in der Welt, wir müssen uns darauf verlassen können, das sie vor Ort in unserem Sinne auftreten, dass sie unsere moralischen und ethischen Werte nicht nur teilen, sondern diese vor Ort auch „leben“. Und auf Ehrlichkeit. Jeder macht Fehler, bei jedem läuft es mal nicht so wie man sich das idealerweise vorstellt, aber gemeinsam finden wir auch für jedes noch so blödes und großes Problem eine Lösung.
Was macht für Dich eine/n guten Bildredakteur:in aus?
Ein guter Bildredakteur ist stark in der Recherche, versetzt sich in Alltagssituationen hinein und kann deshalb den/die Fotograf:in gut „briefen“. Er oder sie lässt den/die Fotograf:in niemals alleine, sondern macht Vorschläge wie Bilder und Motive entstehen könnten, ist aber gleichzeitig anderen Lösungen – die der oder die Fotograf:in vor Ort entwickelt hat – offen gegenüber. Außerdem ist er/sie organisationsstark, kreativ, hat ein Händchen für Technik und hat stets Kosten und Deadlines im Auge. Und ganz wichtig: er oder sie hat Spaß am Job und motiviert dadurch möglichst viele Kolleg:innen zu Höchstleistungen.
Gibt es bei den vielen Ausgaben, die Du betreut hast, ein Heft, das Dir bis heute ganz besonders am Herzen liegt?
Da muss ich passen. Natürlich gibt es besondere Ausgaben wie nach Ereignissen wie Tsunami/Fukushima, 9/11 oder Ausbruch des Ukraine Krieges, die sehr relevante Ereignisse zum Inhalt haben. Dann sind der Druck und die Anforderungen besonders hoch und wenn man dann erfolgreich ist, dann ist das Erfolgserlebnis natürlich auch besonders groß, aber grundsätzlich ist immer die nächste Ausgabe die wichtigste. Und ich habe in 26 stern Jahren fast 1.400 Ausgaben betreut – da gibt es wirklich viele Geschichten, die besonders schön, schwierig oder aufregend waren.
Wenn es eine Sache gäbe, die Du morgen in der Branche verändern könntest, welche wäre das?
Ich würde dafür sorgen, dass sich alle Menschen in Deutschland im Rahmen der GEZ-Gebühren eine Zeitschrift ihrer Wahl aussuchen könnten und das die Verlage dann einen entsprechenden Anteil von diesen Gebühren bekommen würden. Das würde dafür sorgen, dass Kinder – wie früher – ganz selbstverständlich mit Zeitschriften aufwachsen, dass die Verlage stabile Erträge hätten, die Redaktionen stabile Budgets, die Fotograf:innen stabile Honorare und wir noch viel mehr schöne Geschichten produzieren könnten.
Wir danken Dir für das Gespräch. ♥
Andreas Trampe ist seit 1996 beim stern. Dort arbeitete er erst als stellv. Ressortleiter in der Bildredaktion und später für 19 Jahre als Fotochef. Seit 2019 arbeitet er für das Magazin als Senior Photo Editor. Andreas ist Mitbegründer des „Hamburg Portfolio Review“, Mitglied in der DGPh und Mitinitiator des stern-Förderprogramms „Junge Fotografie“.
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