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Im Gespräch mit Dagmar Schwelle

Alle Bilder © Dagmar Schwelle

Dagmar Schwelle wurde in Wien geboren. Neun Jahre lang war sie dort Printjournalistin, dann wechselte sie vom Wort zum Bild und von Österreich nach Deutschland. Heute lebt sie als Fotografin in Berlin.

Kannst Du uns zu Beginn ein wenig über Deinen Start in den Beruf erzählen? Was hat Dich bewogen Fotografin zu werden und hast Du eine klassische Fotograf:innen-Ausbildung und/oder evtl. Assistenzen bei anderen Fotograf:innen gemacht?

Bis ich 30 war, hat Fotografie in meinem Leben so gut wie keine Rolle gespielt. Ich wollte Diplomatin werden, habe Jura studiert, bin aber nach dem Abschluss doch lieber Journalistin geworden. Meine erste Spiegelreflexkamera hatte ich erst mit 27. Doch auch die kam höchstens im Urlaub zum Einsatz und blieb dann oft im Hotelzimmer liegen, weil ich zu faul war, sie rumzuschleppen. Die Lust an der Fotografie entstand ziemlich spontan: Auf einer Reportagereise für das österreichische Nachrichtenmagazin „profil“, bei dem ich damals Redakteurin war, musste ich auch fotografieren, weil aus Budgetgründen kein Fotograf mitgeschickt worden war. Da merkte ich, welche enorme Wachheit und Präsenz es braucht, um in kurzer Zeit Bilder zu machen, die es wert sind, gedruckt zu werden – und war begeistert von diesem Gefühl. Zwei Jahre später kündigte ich und ging nach Vancouver, um dort ein kurzes Fotostudium zu machen. Als Fotografin gestartet bin ich in Hamburg – in Wien hätte es sich seltsam angefühlt, die Seiten zu wechseln.

Deine Schwerpunkte liegen heute primär in den Bereichen Corporate und Reportage. Weshalb eigentlich? Was reizt Dich speziell daran?

Zu Beginn habe ich vor allem redaktionelle Fotografie gemacht, im Laufe der Jahre kamen immer mehr Corporate-Jobs dazu. Ich mag dabei die Vielfalt der möglichen Themen – mal fotografiere ich in einem Containerhafen und dann wieder in der Küche eines Sternerestaurants.

Wie würdest Du selbst Deinen fotografischen Stil beschreiben?

Eher komplex, oft recht bunt, es tut sich viel auf vielen Ebenen. Zusammengefasst: durchkomponierte Wimmelbilder.

Was inspiriert Dich?

Alles, was ich sehe. Menschen, Situationen, Licht. Ich muss dabei nicht unbedingt fotografieren, die meiste Zeit beobachte ich nur.

Was zeichnet für Dich eigentlich ein wirklich herausragendes Foto aus?

Dass man bei jedem neuen Blick darauf etwas Neues entdeckt.

Die vergangenen Monate waren für viele Fotograf:innen schwierig. Wie hast Du die Situation erlebt und wie hat sich die Pandemie auf Dein berufliches Leben ausgewirkt?

Da bisher viele meiner Aufträge mit Reisen verbunden waren, war erst mal nichts mehr los. Ab dem Sommer haben sich aber einige große Projekte ergeben – die meisten hier in Berlin und fast alle im Freien, also ideale Pandemie-Jobs. Damit war 2020 insgesamt gesehen beruflich sogar ein gutes Jahr. 2021 geht es so weiter, ich bin darüber wirklich sehr glücklich.

Einige Fotograf:innen klagten bereits weit vor Corona, dass der Markt für Fotografie auf dem absteigenden Ast sei und es immer weniger gute Aufträge gäbe, die angemessen bezahlt würden. Wie siehst Du das?

Als gebürtige Wienerin habe ich zwar ein Faible für den Weltuntergang, vom Gejammere in der Branche versuche ich mich dennoch möglichst fernzuhalten. Noch gibt es genug Aufträge, die gut bezahlt werden. Aber ich gebe zu, dass es leichter fällt, schlechte Jobs abzulehnen, wenn man keine Familie ernähren muss.

Wenn Zeit, Geld und alle anderen Faktoren überhaupt keine Rolle spielen würden: Was wäre Dein persönliches Traum-Fotoprojekt?

Eine Langzeitreportage in einem Lebensbereich, in den ich bisher keinen Einblick hatte.

Viele Fotograf:innen beschäftigen sich inzwischen auch mit dem Thema „Bewegtbild“. Inwieweit ist dies auch für Dich interessant?

Vor ein paar Jahren hieß es ja, man werde bald weg vom Fenster sein, wenn man nicht auch Bewegtbild anbietet. Auch so eine Krisenprognose, die nicht eingetroffen ist. Ich habe mittlerweile die ca. siebente Kamera, die auch filmen kann, und ich habe noch kein einziges Mal die Filmfunktion genutzt. Film interessiert mich als Konsumentin zwar sehr, als Produzentin möchte ich aber lieber stehende Bilder komponieren.

Wie wichtig sind Dir freie Arbeiten und gibt es aktuell Projekte, von denen Du uns berichten kannst?

Vor der Pandemie bin ich alle paar Monate in große Städte (am liebsten asiatische) gefahren, um dort ein, zwei Wochen lang Street Photography zu betreiben. Im Grunde ist das mein liebstes fotografisches Genre – leider werde ich zu selten dafür bezahlt. Theoretisch würde ich auch gerne freie Langzeitprojekte am Laufen haben, praktisch schaffe ich das nie.

Du hast bereits einiges von der Welt gesehen und in vielen unterschiedlichen Ländern gearbeitet. Wo würdest Du morgen früh am liebsten aufwachen und weshalb?

In meinem Bett. Ich wollte in der Pandemie nicht um jeden Preis reisen und fand es daher in Ordnung, einmal länger an einem Ort zu bleiben. Aber zugegeben: ich sehne mich danach, wieder einmal auf den Straßen einer lebendigen, vollen, lauten und von mir aus auch schmutzigen Metropole zu fotografieren, ohne allzu viel Angst vor Krankheitserregern zu haben.

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