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Im Gespräch mit Judith Büthe

Alle Bilder © Judith Büthe

Judith Büthe ist seit 2011 als freie Fotografin und Journalistin in NRW zuhause und weltweit tätig. Ihre Arbeit bringt Portrait, Sozialdokumentation und Fotokunst harmonisch zusammen. Sie schafft eine authentisch-nahbare Bildsprache und begeistert zahlreiche Verlage, Redaktionen und Agenturen.

Du arbeitest seit 2011 als freiberufliche Fotografin, kannst Du Dich noch an Deinen ersten bezahlten Fotojob erinnern?

Während meiner Ausbildungszeit habe ich bereits frei für NGOs und andere Kund:innen fotografiert. Wenn ich mich richtig erinnere, war das 2009 eine Reportage für eine Düsseldorfer Stiftung.

Deine Schwerpunkte liegen in den Bereichen People, Portrait und Reportage. War das eigentlich schon immer so und was reizt Dich speziell daran?

Ich habe bei Horst Wackerbarth, Foto- und Videokünstler aus Düsseldorf gelernt. Das hieß für mich in meiner Ausbildung: kein vollausgestattetes Fotostudio mit neuster digitaler Technik. Bei uns war alles eher eine Mischung aus absoluter Struktur und maximalem Chaos: ein großes Gemeinschaftsatelier, ein kleines Tageslichtstudio, analoge Fotografie mit der Plattenkamera, wechselnde Teams und On-Location-Shootings unter nicht selten widrigen Bedingungen. Diese Arbeitserfahrungen in Verbindung mit meinem Interesse an gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Zusammenhängen haben mich zur Reportage und zum Portrait gebracht, aber auch zur sozialdokumentarischen Fotografie. Dank eines Stipendiums im Anschluss an meine Ausbildung, habe ich dann berufsbegleitend Journalismus mit dem Schwerpunkt Fotojournalismus und Medienrecht studiert. Es folgten einige Assistenzjobs, die ich bis heute nicht missen will. So kam eins zum anderen. Das war also weniger eine bewusste Entscheidung als ein Entwicklungsprozess. Entsprechend verhält es sich auch bei Agenturjobs, der Zusammenarbeit mit Redaktionen und Verlagen: Ich werde für die Arbeit mit Menschen gebucht.

Wie würdest Du selbst Deinen fotografischen Stil in nur wenigen Worten beschreiben?

Echt und auf Augenhöhe. Unaufgeregt.

Was inspiriert Dich?

Die Begegnungen mit Menschen, die mir vertrauen und ihre Geschichten erzählen. Das gilt für alle Menschen, mit denen ich arbeite. Besonders aber für die, die sich – um ein Beispiel zu nennen – auf der Flucht befinden und deren Leben eine einzige Unsicherheit ist. Ich empfinde es als absoluten Vertrauensvorschuss, wenn sie – in der mitunter schwierigsten Situation ihres Lebens – bereit sind, mit mir zusammenzuarbeiten.

Wenn Zeit, Geld und alle anderen Faktoren keinerlei Rolle spielen würden: Was wäre Dein persönliches Traum-Fotoprojekt?

Ich versuche mich seit Beginn meiner Freiberuflichkeit – wann immer es finanziell und organisatorisch möglich ist – für Projekte zu entscheiden, die für mich Bedeutung haben. Meine Wunschvorstellung ist es, irgendwann ein Gleichgewicht zwischen kommerziellen Auftragsarbeiten und meinen freien, sozialen Projekten, also der redaktionellen Arbeit zu finden. Ich will gar nicht klagen, denn ich weiß um meine „privilegierte Arbeitswelt“. Dafür nehme ich Abstriche und eine oft unsichere Ausgangslage in Kauf.

Was zeichnet für Dich ein wirklich herausragendes Foto aus?

Abgeholt werden, Emotionalität. Das gilt für mich schwerpunktübergreifend. Mich holen Fotografien, die meinem Arbeitsschwerpunkt fern sind, eher ab. Viele Situationen, in denen ich fotografiere, sind unübersichtlich, laut und unbequem. Außerdem muss ich oftmals mit den
Gegebenheiten arbeiten, wie ich sie vorfinde. Die konzeptionelle Fotografie hingegen ermöglicht so viel mehr Freiraum für Arrangement, Stimmigkeit in Farbe und Bildaufbau. Es gefällt mir aber auch, wenn Fotografien meine Sehgewohnheiten brechen. Letzteres heißt nicht gleich, dass mich ein Foto dann emotional abholen muss. Es gibt für mich fantastische Fotografien, bei denen ich alles total feiere, aber dabei bleibt es dann auch. Das meine ich nicht wertend.

Welches war Deine erste Kamera und womit fotografierst Du heute?

Früher: Canon AE-1 (privat) + Sinar, Plattenkamera (beruflich)
Heute: Canon 5D Mark IV und Fuji V100X // im Studio: völlig abhängig vom Auftrag.

Einige Fotograf:innen klagen, dass der Markt für Fotografie weiter auf dem absteigenden Ast sei und es immer weniger gute Aufträge gäbe, die auch angemessen bezahlt würden. Was sind Deine Erfahrungen und Gedanken dazu?

Das kann ich so stehen lassen und unterschreiben. Andererseits treffe ich auch immer wieder auf Auftraggeber:innen, die fotografische Arbeit sehr wertschätzen, nicht wegdenken wollen und entsprechend bezahlen. Da gibt es dann auch keine ermüdenden Diskussionen über Notwendigkeit, Kosten/Nutzen o. ä., die vom Zaun gebrochen werden.

Wie bereitest Du Dich auf einen bevorstehenden Job und/oder ein freies Projekt vor?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei Auftragsarbeiten bin ich ein totaler Kontrollfreak. Ich checke alles dreimal, versuche alle Eventualitäten auszuschließen und mag es bestmöglich vorbereitet im Studio oder an der Location aufzuschlagen.

Wenn ich ein freies Projekt ohne Zeitdruck angehe, in meiner gewohnten Umgebung, bereite ich mich zwar bestmöglich vor, justiere aber gerne und häufiger nach, wenn ich merke, dass es Verbesserung bedarf. Dann kommt es auch mal zu längeren Pausen, bevor ich Projekte weiterverfolge und abschließe. Das ist entweder mangelnder Zeit oder aber organisatorischen Dingen geschuldet. Meist sind die Phasen aber hilfreich, weil das Projekt in der Zeit stimmiger wird, mehr Form bekommt und ich dann weiß, wo die Reise hingehen soll.

Bei redaktionellen Arbeiten, Auslandsreportagen oder Portraits, fällt im Vorfeld eine Menge Recherche an, Risiken müssen bedacht und möglichst ausgeschlossen, Netzwerke aktiviert werden. Dennoch gibt es immer Faktoren, die unsicher bleiben, die ich nicht beeinflussen kann. Das bereitet mir jedes Mal schlaflose Nächte und wird wohl nie ‚normal‘ werden. Wenn ich in Krisenregionen bin, in geschlossenen Camps für Geflüchtete, in denen ich mich eigentlich nicht aufhalten darf oder gar auf einem zivilen Rettungsschiff, ist das kräftezehrend und erfordert die benötigte Nähe und zugleich Distanz. Es ist einerseits fotografisch eine Herausforderung, aber auch mental, weil ich mitunter mit Situationen konfrontiert bin, die fernab vom Alltäglichen sind. Ich muss zu jeder Zeit wachsam sein, während ich mich eigentlich voll und ganz auf das Fotografieren und die Menschen konzentrieren möchte. 

Welchen Stellenwert hat die digitale Nachbearbeitung für Dich?

Für mich ganz persönlich einen geringen. Ich versuche, rein mit der digitalen Entwicklung der RAW Daten auszukommen. Auf aufwändige Retuschen oder das digitale Hinzufügen von Bildelementen, verzichte ich gerne und muss es größtenteils auch, wenn es um fotojournalistische Arbeiten geht. Bei kommerziellen Aufträgen für Verlage und Agenturen verhält sich das entsprechend anders, wobei hier die Nachbearbeitung großteils ausgelagert ist.

Der Markt fordert inzwischen immer mehr auch „Bewegtbild“ und einige Fotograf:innen beschäftigen sich auch intensiv mit dem Thema. Inwieweit ist das für Dich interessant/relevant?

Ich weiß um die Wichtigkeit und Relevanz und hole entsprechend Leute ins Boot, die das Handwerk gelernt haben. Ich würde mich super gerne intensiver mit Bewegtbild auseinandersetzen und bin dem Bereich total offen gegenüber. Zugleich mag ich es aber, mich voll und ganz auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Wenn also die Zeit, das Setting und die entsprechende Vergütung für beides stimmen: bin ich dabei. Für mich ist vorrangig wichtig, meinem Gegenüber vor der Kamera mit voller Aufmerksamkeit zu begegnen, damit ich meinen Auftraggeber:innen gerecht werde und das Ergebnis stimmt. Das bedeutet, die zur Verfügung stehende Zeit bestmöglich zu nutzen. Was ich nicht mache, sind ‚mal hier und da ein paar Videosequenzen‘ während meines eigentlichen Jobs, also der Fotografie, wenn dadurch das Ergebnis ‚Foto‘ leidet. Bisher bin ich gut damit gefahren, keine halben Sachen zu machen und – wenn es das Budget hergibt – Kolleg:innen ins Team zu holen, deren Profession der Film ist, sowie es meine die Fotografie ist.

Wie wichtig sind Dir generell freie Arbeiten?

Sehr wichtig. Das soll nicht den Anschein hinterlassen, dass mir kommerzielle Auftragsarbeiten nichts bedeuten, ganz im Gegenteil. Ich mag die Arbeit mit wechselnden Teams sehr und arbeite mich gerne in neue Themenbereiche ein. Wenn Anfragen neuer Kund:innen eingehen und es zur Zusammenarbeit kommt, freue ich mich auf den gesamten Prozess, also die Vorbereitungen, das Shooting als solches, sowie die Abstimmungsphase danach. Ein Grund, weshalb ich mich – nach gerade einmal zwei Jahren – wieder gegen eine Fotorepräsentanz entschieden habe. Gäbe es aber die andere Seite meiner Arbeit nicht, also die freien konzeptionellen Strecken und sozialen Projekte, würde mir etwas fehlen. In dieser Arbeit kann ich konkret verbinden, was ich gelernt habe – das Fotografieren und Schreiben. Grundsätzlich bedeutet es mir viel, mich mithilfe meiner Erfahrungen und meinem Handwerk, Themen annehmen zu können, die es meines Erachtens verdienen, dass auf sie aufmerksam gemacht wird.

Was ist Deiner Meinung nach ausschlaggebend, um in der Fotografiebranche erfolgreich zu sein?

Wenn Erfolg ausschließlich gleichgesetzt wird mit ökonomischem Erfolg, kann ich hierzu keine Antwort geben. Ich entscheide mich immer wieder bewusst gegen die „guten Jobs“, weil ich Zeit benötige für die mir wichtigen Jobs, die oft nur einen Bruchteil dessen abwerfen, was ich mit „den guten“ verdienen könnte. Wenn ich Erfolg für mich definiere, also mit Blick auf das große Ganze: Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen und einen wertschätzenden Umgang am Set – mit Kund:innen und den Menschen vor und hinter der Kamera. Außerdem: Eine klare Entscheidung dafür, was man als Fotograf:in für Aufträge will und noch wichtiger: Welche Anfragen man ablehnt.

Auf welche Deiner Arbeiten bist Du persönlich besonders stolz? Oder etwas einfacher gefragt: Welche Deiner Arbeiten schaust Du Dir selbst immer wieder gerne an?

Stolz empfinde ich wenig bis nie. Mit Blick auf meine redaktionelle Arbeit bin ich glücklich, die Möglichkeit zu erhalten, ganz besondere Menschen und Orte kennenzulernen und fotografieren zu dürfen. Wenn diese Fotostrecken veröffentlicht werden und Menschen erreichen, die anderenfalls keinen Zugang zu diesen Themen hätten – sei es gesellschaftlich, sozial-ökonomisch oder kulturell, empfinde ich großes Glück.

Bei der kommerziellen Auftragsarbeit sind es für mich die Ankündigungen von Büchern und Magazinen. Ich freue mich jedes Mal auf die ersten Exemplare.

Warum sollte man Dich buchen?

Mir ist immer daran gelegen, das bestmögliche Ergebnis zu schaffen – egal wie groß oder klein ein Auftrag ist. Zuverlässigkeit, Offenheit und ein angenehmes Miteinander bei den Shootings sind mir enorm wichtig – entsprechend arbeite ich.

Gibt es abschließend noch eine spannende Anekdote aus einer Deiner Produktionen, die Du uns verraten kannst?

Es gibt sicher die ein oder andere spannende und auch lustige Anekdote. Was sich in meine Erinnerungen aber am krassesten eingeprägt hat, sind eher die Grenzerfahrungen – im wahrsten Sinne.

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